Ein Zwischenruf zur geplanten Großkundgebung der Partei Die Linke
Es ist wieder so weit: Die Partei Die Linke ruft zur Großdemonstration. Der Titel: „Zusammen für Gaza“. Der Anlass: Die Eskalation in Nahost. Der Text: eine moralische Anklage – pathetisch, parteiisch, parolenhaft. Und irgendwo dazwischen: das Völkerrecht, das Menschenrecht, die Staatsräson – alle mit Anführungszeichen, alle mit spitzen Fingern angefasst.
Wer den Aufruf liest, den die Partei nun mitträgt, findet viel Empörung, viele Schuldzuweisungen – und keine einzige Zeile zu den Gräueltaten der Hamas. Keine zum 7. Oktober. Keine zur Geiselnahme. Keine zu denjenigen, die im Namen eines „Befreiungskampfes“ auf Vergewaltigung, Massaker und Kindermord setzen. Stattdessen: Israel als monolithischer Täterstaat, Deutschland als Komplize, „sogenannte Staatsräson“ als Wurzel allen Übels. Man hat den Eindruck, es wäre alles einfacher, gäbe es keine Israelis mehr.
Der Text spricht von Genozid – nicht als Vorwurf, nicht als Klärungsfrage, sondern als Tatsache. Dass der Internationale Gerichtshof bislang nicht entschieden hat? Geschenkt. Dass Genozid eine juristisch hochpräzise Kategorie ist? Unerheblich. Es reicht offenbar, dass „jede:r sehen kann“. Die Evidenz der Empörung ersetzt das Verfahren des Rechts.
Und während man „alle Waffenexporte“ stoppen, „alle militärische Kooperation“ beenden, „alle Kriegsverbrecher“ freilassen oder ausliefern will – stellt sich stillschweigend eine neue alte Logik ein: Wer sich nicht ganz auf unsere Seite stellt, steht auf der falschen.
Man muss es so deutlich sagen: Der Aufruf ist einseitig. Er unterschlägt die historische wie gegenwärtige Bedrohung jüdischen Lebens. Er schweigt zum Terror in Gaza. Und er kleidet eine politische Agenda in eine Sprache, die vorgibt, Menschenrechte zu vertreten – aber nur dann, wenn sie der eigenen Position nützen.
Die Parteiführung mag das für „mutig“ halten. Ich halte es für fahrlässig. Und politisch fatal. Denn wer das Völkerrecht aufruft, um es selektiv anzuwenden; wer „Komplizenschaft“ ruft, aber nicht fähig ist zur Ambivalenz; wer Empathie predigt, aber keine Zumutung jüdischer Geschichte mehr aushält – der braucht sich nicht wundern, wenn man ihn nicht mehr für universalistisch, sondern schlicht für feindlich hält.
Es ist gut und notwendig, für ein Ende des Krieges zu demonstrieren. Für ein Ende des Sterbens. Für das Recht auf Leben. Aber das geht nicht gegen Israel, sondern gegen Gewalt – gegen jede Gewalt. Wer das nicht sagen kann, sollte vielleicht einfach still sein. Oder wenigstens: keine Partei sprechen lassen, die einmal angetreten war, Gerechtigkeit zu denken – nicht nur Empörung zu fühlen.